Diesen Beitrag schreibe ich auch einfach, weil es so herrlich ist, den guten alten Zeiten ein wenig nachzutrauern und über das aktuelle Geschäft zu jammern. Die Zeiten langfristiger Kundenbindungen sind scheinbar erst einmal vorbei. Retainerverträge, die Agenturen ein regelmäßiges monatliches Grundeinkommen sicherten, sind weitgehend Geschichte. Die meisten Agenturen hangeln sich von einem meist überschaubaren Projekt zum nächsten und sind schon froh, wenn nicht jedes neue Projekt erneut gepitcht werden muss. Vorbei die Zeit, als große Markenartikelunternehmen darauf bedacht waren, gute Agenturen langfristig an ihr Unternehmen zu binden und es als unschätzbar wertvoll empfanden, dass sich «ihre» Agentur fast besser in ihrem Markt, mit ihren Marken und Produkten und ihren Zielgruppen auskannte, als ihre eigenen Product Manager.
Heute beherrschen Bindungsangst und Kurzfristdenke die Kunden-Agentur-Beziehungen in Europa. In unsicheren, volatilen Märkten möchten sich Werbungtreibende möglichst flexibel halten und scheuen konsequenterweise bindende, langfristig angelegte Agenturverträge wie der Teufel das Weihwasser.
Aber wie sollen Agenturen mit dieser geänderten Nachfrage umgehen? Um welche Projekte soll man sich bemühen, welche ablehnen? Wie kann man als Agentur Projektgeschäft profitabel umsetzen? Wie entwickelt man aus einem ersten, kleinen Projekt eine langfristig stabile und nachhaltig lukrative Kundenbeziehung?
In diesem Beitrag möchte der New Business Doctor diskutieren, ob kleinteiliges Projektgeschäft für Agenturen auf Dauer wirklich attraktiv sein kann und aufzeigen, welche Agenturen besser die Finger davon lassen sollten.
Gestern Mittag im Biergarten diskutierte ich mit einem befreundeten Agenturinhaber, der gerade ein attraktives Projekt nicht bekommen hatte, ob er wirklich richtig und clever gehandelt hatte. Statt dem potenziellen Auftraggeber ein Angebot für das angefragte, zunächst überschaubare Projekt zu unterbreiten, wollte man die Entscheider davon überzeugen, das Projekt «gleich ins Big Picture» zu setzen und zunächst umfassende Grundlagenarbeit leisten. Schließlich sähe man sich als Berater, «als Kommunikationsarchitekt» und nicht einfach als «verlängerte Werkbank» des Auftraggebers; so in ungefähr seine Worte.
«Vielleicht wäre es besser gewesen, dem potenziellen Auftraggeber zunächst einmal das anzubieten, was er angefragt hatte, dann im Laufe des ersten Projekts sein Vertrauen zu gewinnen um im Anschluss weitere, größere Projekte zu akquirieren», wendete ich ein, wärend ein herrlich duftender Schweinsbraten serviert wird.
Zum einen wollte man mit dem Vorgehen austesten, ob überhaupt ausreichend Umsatzpotenzial in dem möglichen Neukunden stecke, zum anderen bezweifele er - also mein Agenturinhaber – stark, dass man bei einem Kunden zunächst in der Rolle des einfachen Handwerkers einsteigen, und dann später noch zum Architekten, zum Berater auf Augenhöhe aufsteigen könne.
Ich gebe unser Gespräch hier deswegen wieder, weil es die Krux, in der viele Agenturentscheider heute stecken, beziehungsweise die zwei möglichen Strategien, mit Projektanfragen umzugehen, ganz gut verdeutlicht:
1. Von vorneherein klarstellen, dass man sich als Berater auf Augenhöhe mit nachhaltigem Ansatz sieht und kurzfristig angelegtes Projektgeschäft grundsätzlich ablehnen.
2. Die Chance eines kleinen, überschaubaren Projektes nutzen, um zunächst das Vertrauen des Auftraggebers zu gewinnen und dann im zweiten Schritte das Geschäft mit dem Kunden konsequent und sukzessive ausbauen.
Wie selten ist der New Business Doctor hier unentschieden, welche die bessere Strategie ist. Geht es nach meinem Freund, dem Agenturinhaber, ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, wenn man einem kleinen, zeitlich begrenzten Projekt erst einmal zugestimmt hat. Die Chance hieraus jemals ein nachhaltiges Beratungsmandat auf Augenhöhe zu entwickeln schätzt er als gering ein. Andererseits möchte ich einwenden, dass nicht jede Agentur das Standing hat und sich den finanziellen Luxus erlauben kann, Projektaufträge abzulehnen beziehungsweise zu riskieren, potenzielle Neukunden an Mitbewerber zu verlieren, die zu Konzessionen vielleicht eher bereit sind.
Ich meine, beide Strategien haben ihre Berechtigung und beide Strategien können zum langfristigen Erfolg führen. Für Agenturen mit guter Auslastung und gutem Standing in der Branche kann Strategie 1 die richtige sein. Für Agenturen, denen das Wasser eher am Hals steht und die Deckungsbeiträge selbst aus überschaubaren Projekten bitter nötig haben, mag Strategie 2 die richtige sein.
Was denken Sie. Beziehungsweise wie halten Sie es mit kleinen Projektanfragen?
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie man aus kleinen Projektaufträgen sukzessive mehr Geschäft und Honorarumsatz herausholen kann, lesen in meinem Beitrag «Ihr bester Neugeschäftsjäger ist schon täglich am Kunden.».