Neulich – zwischen Weihnachten und Neujahr – kontaktierte mich ein früherer Kunde mit der Botschaft, ein Geschäftsfreund, marketing-verantwortlich für eine ausländische Discountmarktkette, plane nach Deutschland zu expandieren und brauche dringend Unterstützung bei einem Quick-and-Dirty Research-Projekt in Deutschland. Er, also mein alter Kunde, schätze meine Kompetenz sehr und habe mich seinem Discount Marketeer wärmstens empfohlen. «Big Oportunity!».
Wie sich schnell herausstellte, hatte besagter Discount-Marketingmann offensichtlich schon länger vergeblich versucht, jetzt in der Ferienzeit zwischen Weihnachten und Neujahr, irgendjemanden zu finden, der ihm einen schnellen Research auf die Beine stellt und das – als hätte ichs geahnt – auch noch mit einem Discount-Budget. Dass Research nun wirklich nicht zu meinen Dienstleistungen zählt, muss ich ja nicht erwähnen.
Der klassische Fall einer schlechten (wenn auch gut gemeinten) Empfehlung von einem guten Kunden.
Sicher ist Ihnen das auch schon passiert. Da hat ein guter Kunde Sie beziehungsweise Ihre Agentur mit warmen Worten weiterempfohlen und schnell stellt sich heraus, dass seinen Empfehlung weder eine echte Chance für Sie darstellt noch in Ihr Kundenportfolio oder zu Ihrem Business Modell passt. Aber, was tun? Die Kröte schlucken und für den schlechten Neukunden arbeiten oder das Business ablehnen mit der Gefahr den guten Kunden zu enttäuschen oder - noch schlimmer – zu verärgern?
Weder noch. Ich denke, es gibt eine bessere Lösung, einen Königsweg für solche Situationen.
In diesem Beitrag möchte ich Ihnen einen Weg zeigen, um aus dem Dilemma der schlechten Empfehlung von einem guten Kunden herauszukommen, ohne ihr Gesicht und vor allem ohne Geld zu verlieren.
In meinen Beiträgen «Akquirieren Sie noch oder empfiehlt man Sie schon?» und «Wie Sie Ihre Kunden zu New-Business-Akquisiteuren machen.» hatte ich ja schon erklärt, warum Empfehlungsmarketing für Agenturen und Kreativdienstleister ein mächtiges New-Business-Tool sein kann und wie man es am besten anstellt, viele gute Empfehlungen von bestehenden oder früheren Kunden zu bekommen, um daraus Neugeschäft generieren zu können. Aber wie sollen Sie sich verhalten, wenn solche Empfehlungen zu Anfragen von potenziellen Kunden führen, für die Sie unter keinen Umständen arbeiten wollen? Wie retten Sie Ihre Werberhaut, ohne dem Empfehler kräftig vor den Kopf zu stoßen?
Natürlich sind solche raren «Herr Müller hat Sie mir wärmstens empfohlen»-Momente fast so etwas, wie der sprichwörtliche Sechser im Lotto. Genuss und Belohnung pur, ohne große Mühe und Arbeit.
In Wahrheit aber ist es harte Arbeit, einen ständigen Strom guter Empfehlungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Und nur wenigen Agenturen gelingt es, ihr Neugeschäft und Wachstum ausschließlich aus Weiterempfehlungen zu generieren. Überragende Arbeit für attraktive Kunden zu leisten und zum richtigen Zeitpunkt, aber systematisch um Weiterempfehlungen zu bitten. Allerdings ist das für mich die ganz hohe Schule des Business Development und ich zolle allen Agenturen, die das perfekt hinbekommen, großen Respekt.
Aber leider sind nicht alle gut gemeinten Empfehlungen auch immer gute Empfehlungen. Immer wieder gibt es diese unangenehmen Momente, wo Ihnen eine guter, geschätzter Kunde so ein Kuckucksei ins Neugeschäftsnest legt. Sei es das Start-up seines Neffen (unterfinanziert und in einem Markt, mit dem Ihre Leute leider überhaupt keine Erfahrung haben) oder der Dienstleister Ihres Kunden, dessen Budget ganz offensichtlich im umgekehrten Verhältnis zu seinen Ansprüchen steht.
Also was tun, um den schlechten Neukunden höflich abzulehnen, ohne dem guten Altkunden zu verärgern?
Dazu müssen wir zunächst mal die Dynamik verstehen, die hier im Spiel ist. Ihr Altkunde tut Ihnen einen Gefallen. Zumindest glaubt er das. Aber er möchte auch dem Neukunden einen Gefallen tun mit seiner Empfehlung. Ihr Job ist es jetzt, Ihren Altkunden gut aussehen zu lassen und ihn nicht zu blamieren. Dieses Ziel dürfen Sie nicht aus den Augen verlieren. Das aus Ihrer Sicht schlechte Projekt anzunehmen, kann aber nicht die Lösung sein. Dann würden alle verlieren. Zunächst einmal Sie, weil Sie wahlweise Ihre Mitarbeiter sauer fahren oder viel Arbeit für wenig Lohn leisten müssen. Dann den Neukunden, der vermutlich sehr schnell spürt, dass Ihre Agentur nicht die richtige für ihn ist. Und in der Folge auch Ihr Altkunde, der schnell mitbekommt, dass er beiden Seiten mit seiner gut gemeinten Empfehlung keinen Gefallen getan hat.
Aber, wie gehen Sie am besten vor:
Stufe 1: «Danke!»
Bedanken Sie sich bei dem Empfehler: «Danke, dass Sie an uns gedacht haben! Wir freuen uns sehr über Ihre Empfehlung und sind froh wahrzunehmen, dass Sie unsere Leistung so sehr schätzen, dass Sie uns Ihren Geschäftspartnern weiterempfehlen. Bitte machen Sie weiter so!»
Stufe 2: Formulieren Sie Ihre Bedenken, aber stellen Sie eine Lösung in Aussicht.
Wenn Sie Bedenken haben, nicht die richtige Agentur für das empfohlene Projekt zu sein, sagen Sie das ehrlich und offen. Aber versichern Sie Ihrem Altkunden, dass Sie sich persönlich darum kümmern werden, dass der Neukunde genau die professionelle Hilfe bekommt, die er benötigt. Damit helfen Sie Ihrem Altkunden vor dem Neukunden gut dazustehen, obwohl Sie den Job nicht annehmen. Das sollten Sie als Ihre Verpflichtung gegenüber dem Altkunden sehen. Nicht, aus reinem Goodwill für einen eigentlich unpassenden Kunden zu arbeiten.
Stufe 3: Machen Sie genau das gleiche mit dem potenziellen Neukunden.
Bedanken Sie sich für das Vertrauen. Formulieren Sie Ihre Bedenken. Möglichst positiv. Bieten Sie Ihm Ihre verbindliche Hilfe an. Prüfen Sie, ob er OK mit Ihrem Vorschlag ist.
Stufe 4: Finden Sie heraus, wie Sie helfen können.
Es gibt viele Wege, wie Sie dem Empfohlenen helfen können. Zunächst die naheliegenden: Sie könnten ihn, trotz aller Bedenken und Nachteile, als Kunden annehmen. Aber das wollen und sollen Sie nicht. Alternativ können Sie Ihre Expertise nutzen und ihm helfen einen geeigneteren Dienstleister zu finden. Die Interessen Ihres geschätzten Altkunden wahrend, könnten Sie mit dem Neukunden ein Interview führen, um besser zu verstehen, welche Art Hilfe er genau benötigt und um gezielter nach potenziellen Lösungspartnern suchen zu können. Sie könnten sogar soweit gehen, dem Neukunden bei der Ausschreibung und Selektion zu helfen, bis der richtige Partner gefunden und der Neukunde rundherum happy ist.
Stufe 5: Close the Loop
Lassen Sie Ihren Altkunden wissen, dass und wie genau Sie dem Neukunden geholfen haben. Zeigen Sie ihm, wie Sie dafür gesorgt haben, dass er, Ihr geschätzter Altkunde, sein Gesicht nicht verliert und gut da steht, vor seinem Geschäftspartner.
Also, wer smart sein will muss immer im Auge , dass es in erster Linie darum geht, Ihren zahlenden Kunden gut aussehen zu lassen. Es geht nicht darum, jeden noch so unpassenden Neukunden anzunehmen, nur um Ihrem Altkunden einen Gefallen zu tun.
Den research-bedürftigen Discount-Marketeer vom Anfang der Story konnte ich an eine Handelsmarketingagentur aus meinem Klientenkreis vermitteln, die dann die Studie allerdings mangels realistischem Budget nicht umsetzen konnten.