Wie man Agenturleistungen angemessen vergütet.

Urheber : ginasanders | 123rf.com

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Vor einiger Zeit besuchte ich den Grand Bazaar Kapalı Çarşı in Istanbul, um ein paar Mitbringsel zu erstehen (Sie wissen schon: Aladins original Wunderlampe, ein Nazar-Amulett mit dem magischen Auge, ein Peştemal, also das original Hamam-Lendentuch und natürlich Turkish Delights)  und – Sie ahnen es – vor lauter Gefeilsche verpasste ich fast meinen Rückflug.

Auf dem Rückflug wurde mir bewusst, wie einfach doch Einkaufen bei uns in Nordeuropa ist. Ware aussuchen, Preis ablesen, zur Kasse gehen und bezahlen. Easy, transparent, effizient, stressfrei. Ich weiß, einige unter Ihnen finden Basar-Schachern exotisch und spannend, mir geht das gehörig auf den Geist.

Well, if you pay peanuts, you get monkeys.
— Unbekannt

Kaum zurück in Deutschland erreichte mich der Anruf der Einkaufsabteilung eines potenziellen neuen Beratungskunden, mit der „frohen“ Botschaft, man sei bereit, mich zu beauftragen, allerdings reiche das Budget nicht, meine Forderungen zu erfüllen. Willkommen zurück im Basar! Meine Erwiderung, man würde sich ja wohl auch nicht einen schicken, neuen Mittelklassewagen im Autohaus aussuchen, um dann dem Verkäufer zu eröffnen, das Ersparte reiche bestenfalls für einen Kleinwagen, kam offensichtlich genau so schlecht an, wie das bei solchen Gelegenheiten von meinem Ex-Chef gerne genutzte Bonmot: „Well, if you pay peanuts, you get monkeys.“.

Den Wert von strategischen und kreativen Dienstleistungen einer Agentur zu bestimmen ist weitaus schwieriger und komplizierter, als den Preis für 100 g Turkish Delights. Der Markt beziehungsweise die Preise für Dienstleistungen im Bereich Marketingkommunikation und Design sind ja alles andere als transparent. Entscheider in werbetreibenden Unternehmen und deren Einkaufsabteilungen, leben ständig in der Angst, von ihren Kreativdienstleistern übervorteilt zu werden, Agenturchefs dürfen die Leistung ihrer Talente und Spezialisten nicht unter Wert verkaufen und müssen profitabel arbeiten. Allgemeine Gebührenordnungen, wie es sie bei Ärzten und Anwälten gibt, sucht man im Agenturgeschäft vergeblich (Wäre ich dich nur Anwalt geworden!). Und so gilt es, Honorierungsmodelle zu finden, die beiden Seiten, also den Auftraggebern und ihren Dienstleistern gerecht werden, transparent, flexibel und fair sind.

Im Folgenden möchte ich Ihnen die sechs gängigsten Honorierungsmodelle für Agenturleistungen noch einmal kurz vorstellen. In zwei weiteren Beiträgen hier im NB-Doc’s Blog werde ich dann versuchen, die jeweiligen Vor- und Nachteile beziehungsweise Stärken und Schwächen einzelner Modelle aus Sicht der Auftraggeber [hier] sowie aus Sicht der Agenturen [dort] aufzuzeigen und zu bewerten.

1. Stunden- / Tagessätze
Beim sogenannten Aufwandshonorar wird die Arbeit der Agentur honoriert, indem der nachgewiesene Arbeitsaufwand mit dem vorher für einen bestimmten Mitarbeiter beziehungsweise eine Funktion vereinbarten Stunden- beziehungsweise Tagessatz multipliziert wird. Dabei ist es durchaus üblich, den Stunden- / Tagessatz an der Seniorität beziehungsweise der Funktion des Leistung erbingenden Mitarbeiters zu orientieren.  Will sagen, der Stunden- / Tagessatz eines Assistenten wird in der Regel niedriger liegen, als der einer Geschäftsführerin.

2. Listenpreise
Auftraggeber und Agentur einigen sich auf Festpreise für bestimmte, häufig nachgefragte, normierbare Agenturleistungen (wie z.B.: die Formatadaption einer Anzeige oder der Seitenpreis für einen Verkaufsprospekt). Diese werden in einer Preisliste festgehalten und sind dann Basis aller künftigen Aufträge.

3. Projekthonorar
Beim Projekt- oder Pauschalhonorar wird die Agentur auf Basis eines Kundenbriefings, eines Projektziels, eines Pflichtenheftes oder Leistungskatalogs den voraussichtlichen Agenturaufwand kalkulieren und ihre Leistungen als Komplettpaket zu einem Festpreis anbieten und abrechnen. Unabhängig davon, wie hoch der tatsächliche Aufwand der Agentur für die Erbringung der vereinbarten Leistungen tatsächlich ist. Kann die Agentur den Auftrag schneller abwickeln, als veranschlagt steigt ihre Gewinnmarge, benötigt sie mehr Zeit, als kalkuliert drückt das die Marge. Dem Auftraggeber kann's egal sein. Er zahlt immer nur den vereinbarten Festpreis.

3. Monatshonorar
Beim Retainer oder auf Deutsch dem Monatshonorar wird im Vorhinein ein bestimmtes Paket an Grundleistungen definiert, die die Agentur für die Dauer des Vertrages (teils regelmäßig) zu erbringen hat. Hierfür erhält die Agentur ein Monatshonorar oder eben neudeutsch Retainer. Es gibt Retainer-Verträge, die dem Monatshonorar ein bestimmtes Kontingent an Agenturzeitaufwand gegenüberstellen (inklusive einer Kulanzspanne) und es dem Auftraggeber wie der Agentur erlauben, den Retainer gegebenenfalls anzupassen, sollte der tatsächliche Aufwand vom vereinbarten dauerhaft erheblich abweichen.

3. Erfolgsabhängige Honorierung
Bei der erfolgsabhängigen Honorierung werden zwischen Auftraggeber und Agentur konkrete Ziele der Agenturleistung vereinbart. Das können qualitative (z.B. Aufmerksamkeitssteigerung) oder quantitative Ziele (z.B. Umsatzsteigerung) sein. Performance-Ziele lassen sich in drei Kategorien einteilen:

  • Agentur-Performance Ziele (also z.B. Zufriedenheit des Auftraggebers, allgemeine Bewertung der Agentur-Performance, Service-Qualität etc.)
  • Weiche Ziele (also z.B. Steigerung von Marken-Awareness, -Sympathie und -Kaufbereitschaft)
  • Harte Ziele (wie z.B. Umsatz- oder Absatzsteigerungen)

Die Honorierung der Agenturleistung richtet sich dann nach dem Erreichungsgrad der vereinbarten Ziele. So erhält die Agentur z.B. bei Zielerreichung 100 % der vereinbarten Vergütung. Wird das Ziel um mehr als 25% überschritten 150% der Vergütung. Bei Nichterreichen des Ziels möglicherweise gar keine Vergütung oder nur Teile hiervon. Dabei wird die Vergütung der Agentur also vom tatsächlichen Aufwand entkoppelt und konsequent auf die Zielerreichung, also dem Mehrwert für den Auftraggeber ausgerichtet.

4. Aufschläge
Sogenannte Service- oder auch Handlings-Fees sind prozentuale Aufschläge auf Fremdleistungen beziehungsweise -kosten, die im Namen des Kunden aber auf Rechnung der Agentur bei Dritten in Auftrag gegeben werden. Dabei berechnet die Agentur diese Fremdkosten an den Kunden weiter, mit einem vorher generell vereinbarten Aufschlag von x Prozent auf den Rechnungsbetrag. Solche Aufschläge decken den Aufwand und das Risiko der Agentur, die mit der Beauftragung Dritter in der Regel einhergehen (Selektion geeigneter Lieferanten und Dienstleister, Ausschreibung, Angebotsprüfung, Beauftragung, Leistungsprüfung, Vorfinanzierung, Ausfallrisikoversicherung, Rechnungsprüfung etc.).

5. Provisionen
Hier finanziert die Agentur ihren Aufwand über Provisionen, die sie mit (oder ohne) Wissen des Auftraggebers von externen Lieferanten beziehungsweise Dienstleistern erhält, die im Auftrag der Agentur Leistungen für den Werbetreibenden erbringen. Dabei begleicht der Auftraggeber die Rechnungen des externen Lieferanten / Dienstleisters in denen die Kosten für die Provision zum Teil oder ganz enthalten sind. So war es früher üblich, dass sich Werbeagenturen komplett über die sogenannte Mittlerprovision der Medien (15 % der Mediakosten) finanzierten und auf Honorare weitgehend verzichten konnten. Rechtlich und ethisch problematisch, aber leider immer noch üblich sind sogenannte Kickbacks. Das sind Provisionszahlungen von Lieferanten der Agentur an die Agentur, die dem Auftraggeber bewusst verschleiert werden, aber meist bereits in die Preise der Lieferanten einkalkuliert, also letztlich vom Werbetreibenden mitbezahlt werden.

6. Lizenzgebühr
Lizenzgebühren, auch als nutzungsabhängige Honorare bezeichnet, sind eine relativ neue und bisher wenig verbreitete Form der Honorierung von Agenturleistungen. Dabei erwirbt der Werbetreibende die Lizenz, bestimmte von der Agentur urheberrechtlich geschützte Werke (wie z.B. ein Logo, ein Slogan, eine Packungsgestaltung oder eine App) für seine Marke nutzen zu dürfen. Die Agentur erhebt in diesem Fall Lizenzgebühren, die sich in der Regel an der tatsächlichen Nutzung der Werke orientiert. Beispiel: Ein Start-up hat kein Budget, um eine Erfolg versprechende hochwertige Verpackungsgestaltung in Auftrag geben zu können. Die Agentur entwickelt die Verpackung zunächst honorarfrei und erhält später z.B. einen Cent pro verkauften Produkts.

Soweit die mir bekannten Modelle. Selbstverständlich lassen sich einzelne Honorierungskonzepte wunderbar miteinander kombinieren, um individuellen Anforderungen besser und flexibler gerecht werden zu können. So könnte ein Monatshonorar zum Beispiel die Basisleistungen abdecken, während darüber hinaus gehende Leistungen auf Basis eines Tageshonorars vergütet werden. Das Ganze ließe sich dann, als zusätzlichem Anreiz, mit einem Erfolgsbonus kombinieren.


Quelle: New Business Doctor 2013

Der GWA (Dachverband und Interessensvertreter der Werbeagenturen in Deutschland) erhebt jährlich in seinem Frühjahresmonitor die Struktur der Honorareinkünfte deutscher Werbeagenturen. Die Entwicklung zeigt, dass über die letzten Jahre erfolgsabhängige Honoraranteile zunehmen, die Einkünfte über Provisionen immer geringere Bedeutung haben, während die Finanzierung aus Projekt- und Pauschalhonoraren relativ stabil bleibt.


Wenn Sie jetzt vielleicht immer noch nicht genau wissen, welches Honorierungsmodell in Ihrem speziellen Fall das sinnvollste ist, reiben Sie dreimal an Alladins Wunderlampe und schon steht Ihnen der New Business Doctor zur Seite. Und wenn Sie großes Glück haben, bringt er Turkish Delights mit.

Außerdem empfehle ich Ihnen die Lektüre der beiden vertiefenden Beiträge zu den jeweiligen Vor- und Nachteilen beziehungsweise Stärken und Schwächen einzelner Modelle, aus Sicht der Auftraggeber [hier] sowie aus Sicht der Agenturen [dort].