Gerade komme ich zurück von einem sogenannten Chemistry Meeting, also dem ersten Kennenlernen zwischen einer Agentur und ihrem potenziellen Neukunden. Die Agentur, mit der zusammen ich schon einige spannende Projekte von neuen Kunden gewinnen konnte, hatte mich dazu gebeten, um zu helfen, einen besonders guten und kompetenten Eindruck zu hinterlassen. Haben wir. Mit dem Ergebnis, dass ein zufriedener immer noch potenzieller Neukunde fröhlich die Agentur verließ, mit der Zusage eines Konzeptvorschlags und einer Ideenpräsentation in seiner Tasche, leider ohne dass die Agentur hierfür ein Honorar verlangt hätte oder auch nur einen blassen Schimmer davon hat, mit welchem Budget das in Aussicht gestellte Projekt später ausgestattet beziehungsweise welches Umsatzpotenzial in dem möglichen Neukunden wirklich steckt.
Lesen Sie in diesem Beitrag, wie Sie mögliche Dealbreaker bereits sehr früh im Anbahnungsprozess identifizieren und klären und wie Sie dadurch beiden Seiten viel Zeit und Aufwand sparen können.
Sicher haben Sie die Erfahrung auch schon gemacht: Da hat man sich als Agentur durch einen mehrstufigen Auswahl- und Pitch-Prozess gequält, nur, um dann am Ende in der Konditionenverhandlung erfahren zu müssen, dass der neue Kunde eine gänzlich andere Vorstellung von fairer Honorierung der Agenturleistungen hat, als Sie, man sich auch eigentlich gar nicht über das eine oder andere Projekt hinaus an eine Agentur binden möchte und die Marketingbudgets gegenüber den letzten «fetten» Jahren ohnehin deutlich gekürzt werden mussten. Zu spät! Zeit und Geld wurden im Pitchprozess bereits «verbrannt». Nun muss man wohl oder übel zähneknirschend nehmen, was man bekommen kann.
Warum fällt es uns Agenturleuten eigentlich immer so schwer, vermeintlich «unangenehme» Themen wie Honorare, Vertragslaufzeiten, Exklusivitätsklauseln, Budgethöhen und Umfänge von Aufträgen frühzeitig im Verhandlungsprozess anzusprechen? Stattdessen warten wir damit bis zum bitteren Schuss, wollen «das gute Klima» jetzt nicht mit «potenziellen Konflikthemen» belasten und investieren anstatt blind Zeit und Geld in Vorleistungen, deren Return-On-Investment wir letztlich gar nicht einschätzen können.
Potenzielle Konflikthemen (oder im coolen Kundensprech «Deal Breaker») gehören so früh als möglich auf den Verhandlungstisch.
Und wenn der Kunde sie nicht anspricht (Warum sollte er? Je mehr die Agentur in der Akquise investiert, desto eher wird sie am Schluss bereit sein, klein beizugeben.), müssen Sie, die Agentur, es eben tun. Und das ist ja nicht nur im Agenturgeschäft so, das hat ja jeder schon erfahren müssen: Je später Konflikte angesprochen werden, desto schwieriger beziehungsweise unwahrscheinlicher deren erfolgreiche Lösung. Wie so oft bei Verhandlungen ist immer derjenige im Vorteil, der den Lead übernimmt. In Zukunft also Sie.
Wie man Konfliktthemen aktiv anspricht.
Mal ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie hätten mir signalisiert, dass Sie die Unterstützung und Beratung des New Business Doctors gut gebrauchen könnten und ich habe Bedenken, dass Sie bereit sind, meinen Tagessatz hierfür zu akzeptieren. Dann warte ich doch gar nicht erst, bis Sie (vermutlich zu einem sehr späten Zeitpunkt im Verhandlungsprozess) auf das Thema kommen («Herr Wiehrdt, ich weiß gar nicht, ob wir als kleine Agentur uns Ihre Beratung überhaupt leisten können.»), sondern gehe damit «pro-aktiv» (wie das ja immer so schön heißt) frühzeitig auf Sie zu: «Herr Müller, ich mache mir so meine Gedanken, ob Sie, als eher kleine und – wie Sie ja selbst eingestehen – momentan wirtschaftlich nicht erfolgreiche Agentur, sich das Investment in meine Beratung überhaupt leisten können.» Boom! Jetzt sitze ich am Steuer und mein potenzieller Beratungskunde muss darauf reagieren. Und zwar bevor ich noch weitere Vorleistungen (ein weiteres Meeting mit dem zweiten Geschäftsführer, eine Projektskizze, ein detailliertes Angebot etc.) möglicherweise vergeblich erbringen muss.
Wenn Sie doch aus Erfahrung ohnehin wissen, welche Einwände Ihrem Gegenüber mit großer Wahrscheinlichkeit durch den Kopf gehen, warum warten, bis Ihre Verhandlungspartner sie später auf den Tisch bringt und Sie in Zugzwang bringen? Themen wie:
- Honorare
- Konditionen
- Projektvereinbarungen, statt langfristiger Agenturverträge
- Vermeidung von Exklusivitätsvereinbarungen
- honorarfreie Ideenpräsentationen
- Pitches mit vielen Mitbewerbern
- räumliche oder thematische Nähe
- fehlende Kompetenzen und Erfahrungen
- schrumpfende Budgets etc.
«schweben» als Abschussrisiko letztlich in den meisten Anbahnungsprozessen in der Luft und kommen früher oder später auf den Verhandlungstisch. Bestimmen Sie künftig wann und wie!
Wie Sie die häufigsten potenziellen «Deal Breaker» fühzeitig ansprechen und am besten aus dem Weg räumen, beschreibe ich in meinem Folgebeitrag «Wie Sie die wichtigsten Hindernisse für einen Agenturvertrag aus dem Weg räumen.»
Überlegen Sie sich bereits sehr früh im Anbahnungsprozess, was mögliche Gründe dafür sein könnten, dass sie (also der potenzielle Neukunde und Ihre Agentur) möglicherweise nicht zusammenkommen werden und sprechen Sie diese potenziellen «Deal Breaker» so früh als möglich selbst an (bevor Ihr Verhandlungspartner es tut). So finden Sie schnell und frühzeitig heraus, welche Bedenken ausgeräumt, welche Hindernisse beseitigt werden können und welche die Zusammenarbeit eventuell unmöglich machen. So sparen Sie sich und Ihrem Verhandlungspartner viel Zeit, Geld und Aufwand, nehmen den Stress aus der finalen Verhandlungsrunde und schaffen das Fundament für eine respektvolle, offene, ehrliche und profitable Kunden-Agenturbeziehung.
Zurück zum Praxisbeispiel:
In meinem eingangs erwähnten Beispiel, dem Chemistry-Meeting von gestern, hätte die Agentur, statt sich darüber zu ärgern, nun eine kostenlose Ideenpräsentation zugesagt zu haben, zum Beispiel einfach sagen können: «Unser Businessmodell beruht ja darauf, unsere Kreativität und unsere Lösungsideen unseren Kunden gegen Honorar zur Verfügung zu stellen. Nun haben wir Verständnis dafür, dass Sie nicht die gefürchtete Katze im Sack kaufen wollen, bitten aber im Gegenzug um Verständnis dafür, dass wir Sie um eine angemessene Entschädigung unseres Aufwands für die gewünschte Ideenpräsentation bitten möchten.» Boom! Potenzieller Konflikt auf dem Tisch. Nun muss sich der wohlmögliche Neukunde äußern und entweder zustimmen oder erklären, warum er nicht bereit ist, die Arbeit der Agentur angemessen zu honorieren. Ich möchte nicht in des Kunden Schuhen stecken.
Und übrigens, damit Sie jetzt keinen falschen Eindruck gewinnen: der New Business Doctor arbeitet zwar nicht auf Krankenschein, aber bisher fanden noch alle meine Kunden, dass ich die Investition in mein Honorar Wert war.
Mehr darüber, warum Haltung meist attraktiver und letztlich eher zum Erfolg führt, als devotes Dienstleistergehabe lesen Sie in meinem Beitrag «Pitch-Fehler #3: Anbiedern, statt Haltung zeigen.»