New Business Doctor

View Original

Warum Agenturen viel zu billig sind.

Urheber : dolgachov | 123rf.com

Das offensichtliche Unvermögen von Agenturen, Premium-Honorare durchzusetzen, hat dazu geführt, dass es heute die Werbetreibenden sind, die die Kunden-Agentur-Beziehung dominieren und letztlich auch die Konditionen bestimmen, so zumindest die These von Blair Ernst, dem Autor des Win Without Pitching Minifesto [hier].

Finden Sie es nicht auch merkwürdig, dass die gleiche Person, die gerade völlig ungeniert ihre Agentur beziehungsweise deren Honorare an die Wand verhandelt, niemals auch nur auf die Idee kommen würde mit ihrem Anwalt, ihrem Zahnarzt oder selbst ihrem Lieblingsitaliener über deren Konditionen zu debattieren? Wie konnte es bloß dazu kommen, dass wir in der Agenturbranche so seltene und nachgefragte Güter, wie unser Zielgruppenverständnis, unsere Communication-Skills, unsere Kreativität, unser Wissen um Consumer-Touchpoints und Kommunikationskanäle und unsere fast grenzenlose Dienstleistungsbereitschaft und Flexibilität viel zu billig zu Markte tragen?

Der Schlüssel für die scheinbare Einkaufsmacht der Werbetreibenden liegt wohl in der Verfügbarkeit von scheinbaren Alternativen. Falls eine Agentur nicht mitspielen will (z. B. wertvolle Ideen im Rahmen eines Pitches herschenken oder auf die gnadenlos unfairen Konditionen des Auftraggebers einlenken), gibt es mindestens eine Handvoll andere, ach, was sage ich, Hunderte, die sofort parat stehen und diskussions- sowie bedingungslos akzeptieren. Nur, weil die Werbetreibenden quasi die Hosen anhaben, in der Kunden-Agenturbeziehung können ihre Einkaufsabteilungen Agenturleistungen weit unter Wert einkaufen und Agenturen dazu vergewaltigen, ihre besten Ideen kostenlos zu pitchen.

Eine Lösung wäre, einfach abzuwarten bis sich das Überangebot an Kreativdienstleistern durch Insolvenzen und Fachkräftemangel selbst erledigt und Werbetreibende wieder händeringend nach kompetenten Partnern suchen. Eine andere, das Zepter selbst in die Hand zu nehmen und mindestens einen der beiden Profithebel zu bedienen, die Agenturen eigentlich immer zur Verfügung stehen:

1. Positionierung
Wenn die Agenturpopulation in Ihrem Marktsegment zu groß beziehungsweise der Werbekuchen zu klein wird, suchen Sie sich ein neues Kompetenzfeld in der Kommunikation, bestenfalls mit wenigen gleichwertigen Mitbewerbern aber hoher Nachfrage. Haben Sie den Mut zur Lücke! Mehr darüber, wie sich eine spitzere Positionierung für Ihre Agentur auszahlen kann, auch in meinem Post "Seid einzigartig und mehret euren Erfolg!" [hier] und "Mut zur Lücke: Nachhaltiger Agenturerfolg durch Spezialisierung." [hier] sowie "8 Tipps, die New Business für Agenturen einfacher machen." [hier].

Nike soll sein Markenzeichen, den Swoosh für ganze 35 USD eingekauft haben! („Nike sport logo“ von Nike, Inc.)

2. Erfolgsabhängige Honorierung
Angeblich soll der Grafiker Carolyn Davidson nur 35,- USD Honorar bekommen haben, weil er lediglich die Zeit in Rechnung stellte, die es ihn gekostet hatte, das berühmte Markenzeichen von NIKE, den Swoosh zu entwerfen. Nicht auszudenken, wie reich Davidson heute wäre, hätte er sich bloß erfolgsabhängig honorieren lassen. Mehr zum Thema alternative Honorierungsmodelle in meinem Post "Projekthonorar oder Retainer? Beziehung oder Abenteuer?" [hier] und "Neue Wege Income zu generieren" [hier]. Wie Sie die richtigen Ziele für Ihre Erfolgshonorierung definieren, verrate ich Ihnen in meinem Post "5 Key-Performance-Indicators, die Ihren Kunden wirklich wichtig sind." [hier]. Warum Sie nicht zu lange warten sollten, über neue Honorierungsmodelle nachzudenken, erfahren Sie in meinem Post "Das Ende des alten Agenturmodells ist da. Und es könnte blutig werden." [hier].

 

Laut Enns gibt es mindestens zwei Gründe, warum Agenturen letztlich wirtschaftlich scheitern:

1. Zu viele zu kleine (und damit unprofitable) Kunden oder

2. einen alles dominierenden "Gorilla"-Kunden, der aufgrund der einseitigen Abhängigkeit, Druck erzeugt, unangemessenen Stress verursacht und seine Agentur "überreden" kann, unliebsame Aufgaben in unrealistischer Zeit zu unwirtschaftlichen Konditionen zu übernehmen.

In solch misslicher Lage ist es für Agenturen besonders schwer, die Anerkennung und das Vertrauen zu erhalten, das ihr als spezialisierter Dienstleister und Lösungspartner des Werbetreibenden eigentlich gebührt. Laut Enns missverstehen viele Agenturen eine servile Dienstleistungshaltung ("Der Kunde hat immer recht.") als Schlüssel zu einer langen, soliden und profitablen Partnerschaft. Aber so funktioniert es leider nicht!


"Profitable clients become loyal clients. Not the other way around." Blair Enns in "The Win Without Pitching Minifesto" (Abbildung: Amazon)


Das bedeutet: Nur wer großzügig, bestenfalls realistisch kalkuliert kann seinen Kunden die besten Talente zur Verfügung stellen, ausreichend Zeit in saubere Analysen investieren, alternative Lösungsansätze entwickeln und gegeneinander evaluieren, überzeugend präsentieren und hier und da die eine oder andere Initiative ergreifen, ohne vorher um Honorar zu bitten. Agenturen mit realistischen Honoraren liefern i.d.R. qualitativ bessere und letztlich erfolgreichere Arbeit. Sie können viel eher die Zeit aufwenden, ihre Kunden wirklich selbstbewusst und objektiv zu beraten und verdienen sich so den Respekt und die Verbundenheit, die eine nachhaltige, gesunde und gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Werbertreibenden und Agentur braucht.

Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, Ihr eigenes Honorierungsmodell einem Upgrade zu unterziehen, wäre der New Business Director ein guter Sparringspartner für Sie. Dessen Honorare sind gar nicht so premium, wie Sie denken.